Ateliergespräch Janus Hochgesand

Janus Hochgesand studierte Bildhauerei an der Städelschule und war Meisterschüler von Tobias Rehberger. Im Laufe seiner Karriere machte er sich jedoch als Maler und Performance-Künstler einen Namen. Mit seinen auf den Betrachter imposant wirkendenden High-Intensity-Paintings erzielt er aktuell internationale Erfolge. Im Gespräch gewährt uns der Künstler einen Einblick in seinen Atelieralltag und berichtet über den intensiven Arbeitsprozess seiner Werke.

Lieber Janus, vielen Dank für die Einladung in Dein Hamburger Atelier. Wie sieht ein klassischer Arbeitstag bei Dir im Atelier aus?

Ich fange erstmal an, die Leinwand zu schneiden, denn ich male auf dem Boden. Mein Arbeitsraum ist sehr clean, da steht dann nichts drin, bis auf meine Farben und die Pigmente natürlich. Sobald die Leinwand liegt und ich umgezogen bin – Handschuhe, Maske und so weiter – geht’s los. Manchmal arbeite ich mit Musik und mal ohne, das ist sehr stimmungsabhängig. Es gibt dann kein Halten mehr: ich traktiere meine Leinwand und arbeite so vor mich hin.

Wie startest Du den Werkprozeß?

Meine Farben sind wie eine Palette angeordnet. Das Material muss sehr schnell verfügbar sein.  Ich weiß dann: Da ist jetzt die gelbe Farbe, und ich kann schnell darauf reagieren. Für mich ist wichtig, dass ich dann nicht noch irgendwas umständlich aus einem Karton rauskramen muss. Bei meiner Art des Malens spielt Geschwindigkeit eine große Rolle.

Hast Du schon vor Beginn der Arbeit eine bestimmte Farbkonstellationen im Kopf?

Es muss wirklich erstmal Farbe auf die Leinwand. Eigentlich ist es egal, mit welcher ich anfange. Ich arbeite ja mit Pigmenten und mit Ölfarbe. Manchmal fange ich an, so eine Art Pigmentbett anzurichten. Wenn die Ölfarbe, nach den Pigmenten draufkommt, verhält es sich anders, als wenn ich andersrum beginne. Sobald Ölfarbe auf Pigment trifft, wird das Öl schneller aus der Ölfarbe gezogen und es ergeben sich Schlieren oder so kleine Auren. Manchmal möchte ich das als interessanten Effekt erzeugen. Es gibt also schon so ein paar Dinge oder ein Gerüst, von dem ich weiß: Heute möchte ich das so und so haben. Es ist wie bei Free Jazz, das Komponieren fängt dann erst an, wenn man weiß wie sich die Dinge verhalten. Meistens ist es aber so: Ich fange mit Rot an, und am Ende ist die Arbeit grün. Ich kann also vorher auch nicht darauf hinarbeiten. Ich kann mir nicht vornehmen heute eine blaue Arbeit zu vollenden und dann ist die abends auch fertig. So läuft es nicht. Es muss einfach in sich stimmig sein. Es ist ein Prozeß des Wachstums bei dem die Farben haptisch werden. Sie kommen aus dem Boden, Schicht für Schicht und werden immer interessanter

DETAIL, LIVE PAINTING PERFORMANCE. © SARAH KREUTZHUBER

Kann man also sagen, dass durch das Vermischen der Materialien auf der Leinwand eine neue Einheit entsteht?

Ja, genau. Es entstehen Schritt für Schritt Strukturen wie Moose oder Gestein, als würde man sie züchten. Das ist dann der Punkt, an dem ich denke: Jetzt wird es spannend. Und trotzdem könnte eigentlich schon im ersten Wurf, im ersten Ansatz etwas Großes passieren [lacht]. Das ist immer die Hoffnung, da fühle ich mich dann wie jemand, der auf eine Goldmine stößt. Ich bin deshalb immer darauf eingestellt, direkt etwas sehen zu können, aber das gelingt zumeist nicht. Somit ist es wichtig Warten zu können und dann im richtigen Augenblick zu wissen: Das ist es jetzt, jetzt wird es gut. Dafür muss man einfach machen, machen, machen. Das kann dann wirklich Stunden gehen. Wenn ich so im fokussiert bin, wie im Tunnel, dann ist es auch eine Erleichterung, wenn ich zwischendurch einmal Abstand gewinne. Dann muss ich zwischendurch etwas anderes tun. Hier in meinem Atelier kann ich über eine Treppe runtergucken und schauen, welche Veränderungen in meiner Arbeit passiert sind. Dieses Schauen ist ein großer Bestandteil meines Werkprozesses.

Stellst du Deine Pigmente selbst her oder kaufst Du sie?

Zum größten Teil kaufe ich sie. In Italien habe ich mal selbst Pigmente hergestellt. Das ist ein unglaublich harter Prozess. Das ist richtig körperlich anstrengend und dann werden da nur kleine Mengen frei. Ich schöpfe bei meiner Arbeit aus dem Vollen und brauche viel Material. Trotzdem ist es immer wieder spannend. In Zukunft habe ich deshalb auch wieder vor, selbst Pigment abzubauen, weil man so an Farbnuancen kommt, die einzigartig sind. Es macht schon Spaß, sich da ranzutasten.

 

DETAIL, LIVE PAINTING PERFORMANCE. © SARAH KREUTZHUBER

Wie nimmst Du die Stimmung und Atmosphäre bei Deinen Live-Paintings im Vergleich zu der Arbeit im Atelier wahr?

Das ist für mich ein wunderschöner Moment. Im Vorfeld habe ich mich natürlich vorbereitet gemeinsam mit den Musikern oder anderen Mitwirkenden. Wir proben das dann vorher. Es sind ja ausgesuchte Orte, an denen das passiert. Das Publikum ist gespannt: Was wird da passieren? Man ist dann ab der ersten Sekunde, unter einem ganz besonderen Thrill. Ich bin dann selbst so gepackt von der Stimmung und der Energie im Raum. Ich möchte dann natürlich wirklich gut sein. Es liegt auch zumeist so eine Aufregung in der Luft, weil man ja nicht weiß, was passiert. Eigentlich war das für mich bisher immer eine große Freude, das machen zu können.

Das Live-Painting ist also eine gänzlich andere Erfahrung als ein Gemälde im Studio zu erschaffen?

Ja, das hat eine höhere Intensität. Die Energie und Konzentration ist so hoch, da das Publikum ebenfalls zum Akteur wird, wodurch auch ich anders arbeite.

Deine Live-Paintings sind auf eine bestimmte Zeit in der Bearbeitung begrenzt. Im Atelier hast du theoretisch unbegrenzt Zeit. Entstehen bei den Performances dennoch fertige Werke?

Im Atelier können im Werkprozeß theoretisch Monate oder gar Jahre an Zeit bis zur Vollendung vergehen. Deshalb nehme ich die Live-Paintings in der Regel wieder mit. Es ist eigentlich ein Glücksfall, wenn eine Arbeit während einer Performance fertig wird. Das passiert schon mal, aber häufig beende ich die dann auch erst im Atelier. Die Dinge laufen halt so. Das muss ich mit einkalkulieren. Der Normalfall ist, dass die Arbeit dann erstmal weggehangen wird. Sie trocknet durch, dann gehe ich wieder drauf. Es darf alles sein und das ist auch das Schöne. In diesem abgesteckten Raum der Malerei habe ich eine Riesenfreiheit und die möchte ich auch komplett ausschöpfen. Das ist toll!

Live Painting Performance von Janus Hochgesand beim World Systemic Forum, 2023. © Sarah Kreutzhuber

LIVE PAINTING PERFORMANCE VON JANUS HOCHGESAND BEIM WORLD SYSTEMIC FORUM, 2023. © SARAH KREUTZHUBER

Warum betitelst Du Deine Werke als High-Intensity-Paintings?

Weil er für mich auf verschiedenen Ebenen gut funktioniert. Zum einen ist es der Prozess, in dem ich stecke, alles um mich herum vergesse und mich intensiv mit Farbe auseinandersetze. Zum anderen sind es aber auch die Materialien selbst, denn ich benutze ja reines Pigment. High Intensity – also hochintensiver geht es eigentlich nicht. Das ist für mich ein sehr positiver Begriff. Also ich möchte vieles hochintensiv erfahren und für mich heißt das auch gleichzeitig, bewusst mit den Sachen umzugehen und ausschließlich im Moment zu sein.

Du hast ursprünglich Bildhauerei studiert. Wie kam es dazu, dass du dich der Malerei zugewandt hast? Kannst Du dir ferner vorstellen in Zukunft abermals zwischen den Medien zu wechseln?

Das ist eine schöne Frage. Die kann ich selbst auch nicht so genau beantworten. Im Moment konzentriere ich mich schon sehr auf die Malerei, trotzdem habe ich ein bildhauerisches Verständnis. Ich habe früher viel mit Holz gearbeitet und mit anderen Materialien Objekte gebaut. Das habe ich alles mit in meinem Rucksack und auch bei der Malerei gibt es viele Dinge, die mich an mein bildhauerisches Tun erinnern. Interessanterweise versuche ich in meiner Malerei, obwohl sie flach ist, einen Raum zu erzeugen und in meiner Bildhauerei habe ich immer versucht, ein Bild entstehen zu lassen.

Siehst Du Künstlerkollegen oder ehemaligen Lehrer als Vorbilder an oder woraus schöpfst Du Inspiration?   

Natürlich schaue ich mir andere Kollegen und ihre Arbeit an und bin inspiriert von anderen Künstlern. Es ist fantastisch, wenn sich dadurch neue Welten eröffnen, die man selbst gar nicht so denken kann. Deswegen ist das für mich wie Nahrung. Aber es kann auch beispielsweise ein Modejournal sein, von dem ich denke: Wow. Das speichere ich dann im Unterbewusstsein ab und irgendwann kommt es wieder raus. Ein wichtiger Teil meiner Tätigkeit ist die Arbeit mit diesem Unterbewusstsein. Dabei brauche ich dann nur das rauszulassen, was ich irgendwann einmal darin aufgesogen habe.

JANUS HOCHGESAND, OHNE TITEL, 2022, ÖL AUF LEINWAND, 180X 140CM.

Hast du noch Kontakt zu deinem früheren Professoren?

Also gerade heute hat mir Andreas Slominski auf eine SMS geantwortet, da habe ich mich sehr drüber gefreut. Ihm habe ich nur zwei Fotos geschickt. Es ist jetzt, ein loser Kontakt, dass man sich mal wiedersieht und sich freut, den anderen zu sehen. Das wird wohl auch immer so bleiben.

Schön, ja. Mit Tobias Rehberger, hast du da auch noch Kontakt?

Ja, da ist auch ein loser Kontakt. Er hatte eine tolle Ausstellung im Haus am Waldsee. Da hatte er ein Gespräch mit seinem alten Direktor Kasper König, und das habe ich besucht. Jeder entwickelt sich weiter und macht neue Sachen. Bei den Professoren, bei denen ich studiert habe, ist das natürlich schon etwas ganz besonderes. Ich verfolge das, wie sie weiterdenken und weiterarbeiten.

Woran arbeitest du aktuell?

Im Sommer 2023, wird Live-Painting, als Buch im Distanz-Verlag rauskommen. Darin werde ich die ersten fünf Orte oder Aufführungen zeigen. In letzter Zeit beschäftige ich mich zudem mit dem Aquarellieren. Es sind bereits ein paar Aquarelle entstanden, da muss ich mich nochmal ganz anders auf das Material einlassen. Allein die Größe ist schon völlig anders. Trotzdem möchte ich darin eine Entsprechung zu meiner Ölmalerei finden. Das macht mir ebenfalls große Freude.

Lieber Janus, vielen Dank für das Gespräch, die tollen Eindrücke und die Einladung in dein Atelier.

Das Gespräch mit dem Künstler führten Anna Joos, Martin Schönberger und Rene Spiegelberger im Dezember 2022. Der Künstler wird durch die Galerien Herold in Hamburg und Münster vertreten. Mehr Informationen finden sie unter www.janushochgesand.de